Woche 21 – 2023 | 22. – 28. Mai
Montag, 22. Mai:
Kurz nach 8.00 Uhr treffen sich die Mitglieder der SPD-Landtagsfraktion an den Hamburger Landungsbrücken. Heute startet unsere Fraktionsreise. Wir sind in Schleswig-Holstein unterwegs, informieren uns vor Ort über Themen, die für die Menschen im Land und damit für unsere politische Arbeit wichtig sind.
Wir starten mit einem Besuch auf der Nordseeinsel Helgoland. Als Abgeordnete aus dem Kreis Pinneberg weiß ich einiges über die „Rote Insel“, aber vor Ort war ich noch nie. Der Katamaran „Halunder Jet“ der Reederei FRS Helgoline bringt uns in knapp drei Stunden hin.
Der Geschäftsführer der Reederei, Tim Kunstmann, informiert uns unterwegs über die Unternehmensgruppe FRS und ihre Zukunftspläne. Die Reederei betreibt seit knapp drei Jahren auch die Elbfähre zwischen Glückstadt und Wischhafen, befördert nach eigenen Angaben jährlich 400.000 Autos und Lkw sowie etwa 700.000 Menschen. Trotzdem müssen AutofahrerInnen manchmal mehrere Stunden Wartezeit in Kauf nehmen. Deswegen würde die Reederei die Anleger gern ausbauen, schlägt auch eine verbesserte Straßenanbindung und elektrische Ladeinfrastruktur der Fährhäfen vor. Ein Gutachten könnte klären, ob sich die Investition lohnt – eine Chance für Schleswig-Holstein, insbesondere, weil sich der Ausbau der A 20 und des Elbtunnels weiter verzögert. Die Anfrage liegt seit mehreren Monaten im Wirtschaftsministerium in Kiel – da werden wir mal nachhaken!
Nach dem Zwischenstopp in Cuxhaven dürfen wir kurz auf die Brücke und erfahren einiges über über besondere Technik des Katamarans. Mit mehr als 30 Knoten ist der „Halunder Jet“ das schnellste Schiff, das Helgoland ansteuert – aber bei Wellen über zwei Metern fährt er nicht mehr. Da für die Nacht Wind angekündigt ist, beginnt unsere Reise gleich mit einer besonderen Herausforderung: Wie kommen wir morgen wieder zurück?
Bei diesigem Wetter erreichen wir den Helgoländer Binnenhafen und auch schnell das Hotel. Wir werden begrüßt durch Peter Botter von der Helgoländer SPD, langjähriger Bürgervorsteher und gerade wiedergewählter Kreistagsabgeordneter. Nach einer kurzen Pause geht es zum ersten Termin. Wir besuchen das Unternehmen RWE, dass in der so genannten ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) vor Helgoland drei große Offshore-Windparks betreibt. Der Strom, den sie produzieren, kann aber nicht immer ins Netz eingespeist werden, weil die Kapazität des Kabels zu gering ist. Wie auch auf Land, werden die Anlagen dann abgeregelt, produzieren also nicht. Das muss sich schnell ändern! Auch deswegen gibt es Überlegungen, direkt auf hoher See den Strom in Wasserstoff umzuwandeln und in ein europäisches Pipelinenetz einzuspeisen, um vor allem die Industriebetriebe zu versorgen. Die Planungen für die Pipeline sind noch nicht abgeschlossen, aber die Landesregierung sollte schnell klären, wo auch in Schleswig-Holstein Wasserstoff angelandet werden kann. Zum Abschluss des Besuchs erfahren wir noch, wie aufwändig die Wartung und Instandhaltung der Anlagen ist. So ist ständig ein Hubschrauber in Bereitschaft, um Teams ein- und auszufliegen. Umso wichtiger, dass der produzierte Strom auch genutzt wird!
Darum kümmert sich u.a. das Projekt AquaVentus. Die Idee: Eine Million Tonnen Grüner Wasserstoff pro Jahr, erzeugt aus Windenergie auf der Nordsee und per Pipeline an Land transportiert. Daran arbeiten mehr als 100 Unternehmen, Organisationen und Forschungsinstitute. Der AquaVentus Förderverein unterstützt und fördert diese Idee, beim Abendessen treffen wir Projektleiter Christoph Tewis. Auch Bürgermeister Thorsten Pollmann ist gekommen, berichtet über aktuelle politische Themen.
Dienstag, 23. Mai:
Über Nacht haben sich die Regenwolken verzogen, es ist stürmisch.
Peter Botter führt uns zu den Versorgungsbetrieben Helgoland. Wir erfahren, dass auf der Insel ein Wärmenetz liegt und fast alle Gebäude zentral beheizt und mit warmem Wasser versorgt werden. Dafür sind derzeit noch viele tausend Liter Heizöl nötig. Die Insel sucht jetzt nach der besten Lösung für eine klimaneutrale und bezahlbare Wärmeversorgung. Strom kommt seit 2009 durch ein Seekabel auf die Insel. Aber auch hier könnte eine Windenergieanlage unterstützen. Denn Strom wird auf Helgoland auch gebraucht, um das Meerwasser zu entsalzen und so Trinkwasser zu gewinnen. Das Abwasser wird auch auf der Insel geklärt, der Klärschlamm kommt dann zum AZV-Klärwerk nach Hetlingen.
Weiter geht es ins Krankenhaus: 24 Betten stehen hier für Grund- und Regelversorgung bereit, finanziert durch einen so genannten Sicherstellungszuschlag. Planbare und / oder schwierige Operationen und Geburten werden auf der Insel nicht durchgeführt, sondern gleich aufs Festland überwiesen. Bei Notfällen geht das oft nur per Hubschrauber oder Seenotrettungskreuzer.
Nach dem Mittagessen ist noch Zeit für einen Rundgang auf dem Oberland, zum Lummenfelsen und zur „Langen Anna“. Bei stürmischer See geht es dann mit der „Helgoland“ zurück nach Cuxhaven – übrigens das einzige Schiff, dass heute die Insel angelaufen hat. Von Cuxhaven bringt uns ein Bus zu den Landungsbrücken nach HH.
Mittwoch, 24. Mai:
Der Tag startet im Kurt-Schumacher-Haus, dem traditionsreichen Sitz der Hamburger SPD. Es wurde in den Jahren 1956/57 erbaut und ist nach dem ersten Parteivorsitzenden der Nachkriegszeit Kurt Schumacher benannt. Finanziert wurde der Bau unter anderem durch eine Spendenaktion der Parteimitglieder, die für 1 DM einen Backstein kaufen konnten.
Dort treffen wir Melanie Leonhard, Landesvorsitzende und Wirtschaftssenatorin. Im Gespräch wird noch einmal deutlich, wie eng die Wirtschaft in Schleswig-Holstein und Hamburg verbunden sind. Viele Tausend Menschen pendeln täglich zur Arbeit in die Hansestadt. Deswegen hat auch für den Hamburger Senat der Ausbau des Schienenengpasses zwischen Pinneberg und Elmshorn hohe Priorität – das freut mich zu hören! Der Hafen wird nicht umsonst das „Tor zur Welt“ genannt: Über Hamburg kommen ein Großteil der Rohstoffe und Konsumgüter, die in Deutschland benötigt werden. Sogar der Kaffee in den Wiener Kaffeehäusern wird über Hamburg importiert… Kein Wunder also, dass die Schiffbarkeit der Elbe und die Erreichbarkeit des Hafens für die Metropolregion lebenswichtig ist. Gut, dass Schleswig-Holstein zugestimmt hat, einen Teil des Sediments, des Hafenschlicks, bei Helgoland zu verklappen.
Weiter geht es zur Zentrale der Hamburger Hochbahn in die Steinstraße. Dort wollen wir uns über moderne Mobilitätskonzepte informieren. Thomas Losse-Müller und ich biegen vorher ab und machen es uns in einem Café gemütlich. Die Landesregierung hat gerade überraschend verkündet, die Haushaltssperre wieder aufheben zu wollen – nach gerade mal einer Woche. Offenbar war die Kritik von Opposition, Rechnungshof und Sozialverbänden zu heftig – jetzt zieht Monika Heinold die Notbremse. Wir besprechen unsere Reaktion, stimmen uns mit den anderen Oppositionsfraktionen ab und fordern eine Sondersitzung des Landtags.
Anschließend geht es zur Jugendberufsagentur Hamburg-Mitte. Die Jugendberufsagentur berät und unterstützt junge Menschen unter 25 Jahren dabei, den passenden Beruf oder das geeignete Studium zu finden. Um junge Menschen bereits in der Schule auf den Übergang in Ausbildung und Studium vorzubereiten, werden sie ab Jahrgangsstufe 8 im Rahmen der Berufsorientierung systematisch und nachhaltig orientiert. Am Übergang von der Schule in den Beruf werden alle SchülerInnen der Abgangsklassen aus den Stadtteilschulen und Förderschulen verlässlich begleitet, ihre gesicherte Anschlussperspektive erfasst und auch nach Verlassen der Schule beraten, in Ausbildung vermittelt oder gefördert. Mit dem Versprechen „Wir kümmern uns um Dich“, bietet die Jugendberufsagentur bei Bedarf auch eine aufsuchende Beratung an. So gelingt es, mehr als drei Viertel eines Abschlussjahrgangs nach spätestens zwei Jahren in die Ausbildung zu vermitteln. Toll! Denn wir können es uns nicht leisten, junge Menschen nicht zu fördern, zu unterstützen und auszubilden – alle werden gebraucht!
Mit dem Zug geht es dann zur besten Feierabend-Zeit Richtung Lübeck. Dort treffen wir Bürgermeister Jan Lindenau. Er erläutert uns die Pläne für das ehemalige Karstadt-Haus auf dem Schrangen. Die Stadt hat das Haus gekauft und will dort das INNOVATIONSKONTOR.LÜBECK einrichten. Neben den vier Lübecker Gymnasien sollen auch die Hochschulen dort einen Standort finden. In einem Beteiligungsprozess dürfen die Lübecker BürgerInnen eigene Vorschläge einbringen, wie die Innenstadt als wirtschaftliches, politisches und kulturelles Zentrum sowie als attraktiver Wohn- und Erlebnisraum weiter positiv entwickelt werden kann. Dafür gibt es Fördermittel aus dem Bundesprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“. Auf dem Weg zum Abendessen in der Altstadt gucken wir uns das Projekt auch noch einmal an.
Donnerstag, 25. Mai:
Ein Bus bringt uns zum Lübecker Standort des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH). Seit mehr als 10 Jahren läuft bereits der bauliche Masterplan zur Modernisierung des Klinikums. In Lübeck sind die ersten Neubauten bereits in Betrieb. Vorstand Professor Jens Scholz führt uns stolz durch die neuen Bereiche: Anmeldung, Notaufnahme, Intensivstation, OPs – alles ist so geplant, dass die Arbeit schnell und effizient ablaufen kann und trotzdem die beste Versorgung der PatientInnen gewährleistet ist. Unser Rundgang endet auf dem Hubschrauber-Landeplatz, von wo aus man einen tollen Blick auf das Weltkulturebe Lübeck hat. Anschließend sprechen wir noch mit VertreterInnen des Personalrats. Auch das UKSH kämpft um Fachkräfte – gute Arbeitsbedingungen und eine angemessene Bezahlung sind da das Mindeste!
Mit dem Bus geht es dann nach Sierksdorf, in den Hansapark. Wir werden bereits von den Eigentümern, Christoph Andreas Leicht und seiner Frau Claudia Leicht erwartet. Beeindruckend, wie das Team es seit vielen Jahren schafft, einen der führenden europäischen Freizeitparks zu führen: Klare Ausrichtung auf die Zielgruppe „Familien“, regelmäßig Neues anbieten, ohne auf Traditionen zu verzichten, Nachhaltigkeit und Regionalität, hohe MitarbeiterInnenbindung – hört sich einfach an, ist aber eine Daueraufgabe…
Während die KollegInnen durch den Park streifen, bereite ich mit meinem Refenten Jan Thorben die Sondersitzung des Finanzausschusses in der kommenden Woche vor.
Mit dem Bus geht es nach Neumünster, wo wir den Oberbürgermeister Tobias Bergmann und den neuen Fraktionsvorsitzenden Frank Mathiesen zum Abendessen treffen.
Freitag, 26. Mai:
Früh am Morgen geht es zum Landesamt für Zuwanderung und Flüchtlinge (LaZuF). Direktor Dirk Gärtner führt uns über das Gelände. Hier befinden sich das Ankunftszentrum und eine Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete. Das Landesamt ist zuständig für die Aufnahme, Verteilung und Rückführung und ist zentrale Stelle für Fachkräfteeinwanderung. Wir sind sehr beeindruckt, wie dort gearbeitet wird – getreu dem Motto des Landesamtes: „In Würde. Mit Sicherheit.“
Die Einrichtung in Neumünster wird in den nächsten zehn Jahren baulich erneuert und erweitert. Im ersten Schritt entsteht ein neues Ankunftshaus, das die erste Anlaufstelle für Schutzsuchende in Schleswig-Holstein sein wird. Das Land investiert rund 17 Millionen Euro in den Neubau. Die Fertigstellung ist für Frühjahr 2024 geplant.
Dann steigen Oberbürgermeister Tobias Bergmann und die Mitarbeitenden seines Stadtentwicklungsteams dazu. Wir starten eine Stadtrundfahrt und erfahren, wo in Neumünster neue Wohnungen entstehen sollen und wo ein Wohnraumschutzgesetz helfen könnte, Leerstand und Verwahrlosung in den Griff zu bekommen. Auch viele alte Gewerbeflächen warten in Neumünster auf eine kluge Nachnutzung. Und in der Innenstadt, rund um Großflecken und Bahnhof, ist noch eine Menge für eine gute Aufenthaltsqualität und einen attraktiven Branchenmix zu tun. Besonders toll finde ich die Idee eines Kleingartenentwicklungskonzeptes.
Höhepunkt der Rundfahrt ist ein Besuch im Instandhaltungszentrum der Deutschen Bahn (DB). Das Werk Neumünster besteht seit 1861 und erledigt derzeit die Schwere Instandhaltung von Elektrotriebwagen, Verbrennungstriebwagen und Reisezugwagen. Vor wenigen Tagen hat die DB entschieden, dass Werk für rund 320 Millionen Euro auszubauen, um dort künftig auch die neuen Züge vom Typ ICE L warten und reparieren zu können. Der Zug des spanischen Herstellers Talgo wird ab Oktober 2024 als jüngstes Mitglied die ICE-Familie verstärken. Ein Riesenauftrag für das Werk und seine Beschäftigten!
Am Bahnhof in Neumünster endet der offizielle Teil der Fraktionsreise. Ich fahre mit dem Zug weiter nach Rendsburg. Im Jüdischen Museum verabschiedet die Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein e.V. (LAGSH) ihre langjährige Vorsitzende Uta Körby. Ehrensache, dass ich dabei bin!
Voller neuer Eindrücke, aber auch müde komme ich am Abend wieder in Elmshorn an.
Sonnabend, 27. Mai und Sonntag, 28. Mai:
Ich bin krank und verbringe die Pfingsttage im Bett.