„Rettet die Landgasthöfe“: Es sind dramatischer Appelle vom Hotel- und Gaststättengewerbe, die von deren VertreterInnen während eines Gesprächs mit den Kreis Pinneberger SPD-Landtagsabgeordneten Beate Raudies, Thomas Hölck und Kai Vogel sowie dem SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner und dem Vorsitzenden der SPD-Kreistagsfraktion, Hans-Peter Stahl, mit dem Vorstand des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga im Kreis an die Politik gerichtet wurden.
Eindrücklich schilderte etwa Christoph Dettling vom Haselauer Landhaus die Situation der Gastro-Branche. „Nach zwei Jahren Corona-Schutzmaßnahmen, inklusive sieben Monaten mit komplettem Lockdown und vielen Einschränkungen dazwischen, sind viele von uns wirtschaftlich und auch mental ziemlich fertig.“
Ein guter Sommer 2021 habe insbesondere den Häusern mit Außengastronomie immerhin ein Zwischenhoch beschert. „Aber das macht die großen Verluste davor und danach nicht wett!“
Die Bewertung der staatlichen Hilfen fällt bei den Gastronomen differenziert und nicht nur positiv aus. Bei den Soforthilfen des Landes haben nachträgliche Regeländerungen vielen Betrieben das Leben schwer gemacht, wie Dettling berichete: „Ausgerechnet die Katastrophenmonate März und April 2020 sind nicht berücksichtigt worden, so dass viele Betriebe Rückforderungen erhalten.“
Den Start nach dem Aufheben der härtesten Beschränkungen mache das nicht gerade leichter. „Die meisten von uns fangen bei der Auslastung jetzt auf einem Niveau von etwa 70 Prozent wieder an“, so der Haselauer, der dem langjährigen Dehoga-Kreischef Jürgen Schumann demnächst als Vorsitzender der Kreisorganisation nachfolgen will.
Finanzexpertin Raudies macht sich deshalb für eine Neuregelung der Mehrwertsteuer im Gastro-Bereich stark. „Die Gastro-Betriebe möchten gerne, dass es bei der Absenkung auf sieben Prozent bleibt. Geplant ist allerdings, dass am 1. Januar 2023 wieder die alten Sätze gelten. Ich könnte mir vorstellen, dass es ein guter Kompromiss wäre, wenn die Absenkung bleibt – allerdings mit der Ausnahme alkoholischer Getränke.“ Diese Idee will auch MdB Stegner mit in die Berliner Diskussionen einspeisen.
Einhellig fiel indes das Lob der Dehoga-Vertreter für das ausgeweitete Kurzarbeitergeld aus. „Damit hat die Politik uns gerettet“, so die Veranstaltungs-Gastronomin Annette Thormälen, die gemeinsam mit ihrer Schwester Heike die Elmshorner Gaststätte „Sibirien“ betreibt.
Beide sprechen sich auch für die von Bundeskanzler Scholz angekündigte Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro aus. Denn: „Unsere Mitarbeiter verdienen einen fairen und guten Lohn für ihre Arbeit.“ Zu hoffen sei, dass die steigenden Energiepreise das Lohnplus nicht wieder zunichte machen.
Ihre Kollegin Monika David vom Tangstedter Traditionshaus „Sellhorns Gasthof“ verwies auf die kulturelle und zusammenführende Funktion der Gastronomie gerade im ländlichen Bereich und zog dabei einen Vergleich zu Klinikpersonal und anderen in der Pandemie-Zeit systemrelevanten Branchen. Ihre Frage „Wer klatscht für uns?“ provozierte eine Antwort des SPD-Bundestagsabgeordneten, der selbst Gastwirtssohn ist. „Von mir gibt es Applaus für Sie!“
Der Einsatz und das Herzblut, mit dem viele Gastronomen ihre Betriebe bislang durch die Krise gebracht hätte, nötige ihm großen Respekt ab. Das sah auch MdL Thomas Hölck so, der im Kieler Landtag wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD ist. „Die Dorfgasthöfe sind wichtige Anker im ländlichen Raum.“ Umso mehr ärgere es den Sozialdemokraten da, dass seine Fraktion im Landtag gleich zweimal mit ihrem Ansinnen gescheitert ist, ein Förderprogramm für Investitionen und Modernisierung insbesondere für Landgasthöfe im Binnenland aufzulegen. „Die Jamaika-Regierung war der Auffassung, dass es dafür keine Notwendigkeit gibt.“
Dass dem beileibe nicht so ist, wurde in der Runde allerdings auch mit konkreten Fallbeispielen belegt. So könne in der angespannten Situation auch die wegen der neuerdings geltenden Belegausgabepflicht anstehende Anschaffung einer neuen Kasse zu einer kaum zu schaffenden Herausforderung werden. Denn, so Monika David: „So eine Kasse kostet schon mal 6000 Euro.“
Dafür, dass die Gastronomiebetriebe auch über längere Zeit sicher vor einschränkenden Pandemieschutzmaßnahmen sind, ist nach Auffassung der SPD-Abgeordneten aber vor allem Eines wichtig: „Eine hohe Impfquote!“ Hölck warb dafür, dass sich der Dehoga deshalb auch öffentlich für eine Impfpflicht einsetzt.
Für ihre Arbeit im Parlament nahmen insbesondere die Landtagsabgeordneten reichlich Impulse mit. So wollen die Wirtschaftspolitiker Hölck und Vogel noch einmal in Sachen Investitionsprogramm aktiv werden.
In Kiel will der Pinneberger Vogel noch eine weitere Sache in Angriff nehmen. Als Bildungspolitiker hat er auch immer die Situation der Berufsschulen im Blick und damit einen Bereich, der für die Gastronomie extrem wichtig ist: Die Gewinnung von Nachwuchs. Dass die Personalsituation in der Branche schon bei den Bestandskräften extrem schwierig ist, hatten die Dehoga-Vertreter schon zuvor deutlich gemacht. „Aber uns bricht auch der Bereich der Auszubildenden weg“, sagte Ausbildungswartin Claudia Böhm deutlich, die in Elmshorn mit dem „Winkel“ ein Hotel und Restaurant führt. Gemeinsam mit Kollegin David brachte sie daher ein Sofortprogramm für den Gastro-Zweig der Berufsschulen ins Gespräch: „Mehr Lehrerstunden, praxisorientierte Zusatzeinheiten sobald das möglich ist, und am besten Extra-Deutschunterricht für die jungen Menschen, die aus dem Ausland kommen, aber keine Flüchtlinge sind und daher keine Förderung im DAZ-Bereich (Deutsch als Zweitsprache) bekommen.“ David, die selbst an der Elmshorner Berufsschule unterrichtet, sei überzeugt, dass ihre Kolleginnen und Kollegen dafür auch Überstunden schieben würden. Dafür, dass diese Initiative Thema in der Landeshauptstadt wird, will Vogel nun sorgen.
Auf den Schlussappell von „Sibirien“-Wirtin Annette Thormälen: „Wir sind gerne Gastgeber – helfen Sie, dass wir es bleiben können!“ folgte für die SPD-Abgeordneten am Ende eine klare Antwort von MdL Beate Raudies: „Wir müssen die Landgasthöfe retten! Wir setzen uns für Sie ein“, betonte die Elmshornerin.
„Wir müssen die Landgasthöfe retten!“
SPD-Abgeordnete im Gespräch mit der Kreis Pinneberger Gastro-Branche
